Momo beobachtet fasziniert das Spiel der Blüten im Wind. Sie wirbeln hin und her und scheinen weder oben noch unten zu kennen. Landet mal eine im eigenen Fell, so betrachtet und beschnuppert er sie. Ein klein wenig erinnern ihn die zarten Blüten an Schnee. Der tanzt auch so im Wind, sogar noch ein wenig zarter. Und landet mal eine Schneeflocke im Pelz, dann sieht er sie sich ebenso genau an.
Vorausgesetzt hund macht nicht den Fehler und haucht die Flocke an, denn dann ist sie ratz fatz geschmolzen. Sobald sich eine ordentliche Schneedecke gebildet hat lässt es sich auch ganz famos darin herumtollen. Reinhüpfen und gespannt sein, wie tief es runtergeht. Bei einigen Schneeverwehungen ist Momo so tief in den Schnee geplumpst, dass er gar nicht mehr herausschauen konnte. Aber das machte gar nichts. Einfach etwas in die eine oder andere Richtung gebuddelt und schwupps kam die Sonne wieder zum Vorschein.
Wo nur Lana blieb? Die beste Freundin von Momo ist eine Katze. Sie kennen sich schon lange, bestimmt schon ein Jahr. Und er versteht gar nicht, weshalb einige Hunde keine Katzen mögen. Diese kleinen Schnurrer mit dem aufgestellten Schwanz sind so vielseitig, sie können sogar auf Bäume klettern. Das ist doch total genial, das würde er auch gern können. Ganz heimlich hatte er das auch schon einmal ausprobiert, ist aber nicht sehr weit gekommen. Zu seinem Bedauern musste er feststellen, dass seine Krallen zwar formidabel zum buddeln geeignet sind, aber leider rein gar nicht zum auf Bäume klettern.
Da, da kam sie endlich anstolziert die feine Dame. Wo sie sich wohl so lange aufgehalten hat? Bestimmt wird Lana alles haarklein berichten. Sie erzählt ja ganz gerne. Fast so gerne, wie er selbst. Dieses Mal wollte er anfangen zu erzählen. Sie hatten ja eine Absprache, dass sie immer abwechselnd mit dem Erzählen anfangen. Und er hatte doch wirklich etwas ganz Besonderes zu berichten. Denn er war mit seinem Frauchen im Urlaub gewesen. Das war ganz weit weg. Dort konnte selbst er nicht zu Pfote hinlaufen. Und das obwohl er doch so schnell laufen konnte! Sein Frauchen sagte immer: „Du spinnst ja, Du kannst doch nicht 30 km/h laufen“ – was auch immer das bedeuten möge. Jedenfalls ist das so schnell, dass die Menschen selbst mit dem Fahrrad nicht hinterherkamen – es sei denn, es ging bergab. Da sind Räder dann doch schneller als wieselflinke vier Pfoten.
„Hallo Lana, wie geht es Dir? Hast Du gut gegessen? Du hast da noch etwas in Deinem Schnurrhaar“ – Momo liebte es Lana zu necken, natürlich war kein Krümelchen in ihren Schnurrhaaren, so reinlich wie sie ist. Nach jeder Mahlzeit – und auch zwischendurch – putzt sie sich ausgiebig und hat immer ein strahlend schönes Fell. Lana schaut ihn misstrauisch an – „Du lügst, im Gegensatz zu Dir bin ich frisch gewaschen“ – vorsichtshalber lugt sie dennoch auf ihre Schnurrhaare und natürlich, auch die sind picobello sauber. ´Na warte“, denkt sie sich, ´das werde ich dir heimzahlen, später´ und überlegt sich, wie sie ihren besten Freund zurück necken kann. Aber das hat Zeit. Erst einmal wollen sie sich ausgiebig begrüßen, schließlich haben sie sich sehr lange nicht gesehen. Angeblich wären es zwar nur ein paar Tage gewesen wie die Menschen so sagen, aber ihnen kam es unendlich lang vor.
So schnurrt Lana um Momos Kopf herum und streicht mit ihrem seidenweichen Schwanz an seinem Gesicht entlang. Momo beschnuppert Lana ausgiebig und versucht zu erraten, was sie als letztes gegessen hat. Essen, das ist nämlich fast das wichtigste für einen Hund. Ganz ungeduldig wartet er nun darauf, dass er endlich erzählen kann. Das geht aber erst nach dem alten Begrüßungszeremonial, alles andere wäre unhöflich gewesen. Und unhöflich ist er nicht, er doch nicht.
Nun endlich haben sie sich wieder kennen gelernt (so nennen sie ihre Begrüßung) und die Katze setzt sich erwartungsvoll vor ihn. „Nun, dann erzähl mal“. Vor Aufregung fängt Momo kurz an zu stottern und beginnt die Geschichte mittendrin. „Wi, wi, wir – ähm, wir waren am Seen, ähm, nein, an ganz vielen Seen“. Lana wundert sich: „Du magst doch gar kein Wasser, dachte ich“. Ja, das stimmt, er schwamm nicht so leidenschaftlich wie sein Mitbewohner Pico. Der springt in jeden Teich und will dort drin Stöckchen jagen. ´Brrr, schüttel´, total unverständlich, und das sogar, wenn es schon herbstkalt war. Nein, er ist mehr der Läufer und weniger der Schwimmer, da hat Lana schon ganz recht. „Wir sind darum herum gelaufen – also ich bin gelaufen, Frauchen und das Frauchen von Charlie sind mit dem Rad gefahren, Charlie ist auch gelaufen, manchmal sogar schneller als ich.“ „Wer ist denn Charlie“ fragt Lana mit einem Anflug von Eifersucht. „Charlie ist eine total coole Socke, die hat vor niemandem Angst und ist immer frech – aber nett frech. Sie ist die Hündin von Jona, der Freundin vom Frauchen. Und wir beide hatten richtig viel Spaß – einmal haben wir sogar gemeinsam einen großen Dobermann geärgert. Also, wir haben es zumindest versucht, aber der war so lässig, der hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dann haben wir aufgegeben und uns etwas mit ihm unterhalten. Er ist schon ziemlich alt und hat schon sehr viel erlebt, da meint er, er lasse sich nun nicht mehr aus der Ruhe bringen. Das ist glaube ich eine gute Strategie, dann regt man selbst sich auch nicht so auf.“
Lana schüttelt leicht mit dem Kopf, sie hat noch nie verstanden, warum diese Hunde so oft verrückt werden, wenn andere Hunde vorbeikommen. Nicht immer ist das so, aber schon recht oft. Wenn sie sich jedes Mal so aufregen würde, wenn sie eine andere Katze sehen würde, sie würde niemals schlafen können. Und dabei schläft sie doch so gern. Aber was solls, Hunde sind Hunde, Katzen sind Katzen und auch unter ihren Artgenossen sind ein paar sehr merkwürdige Exemplare zu finden. Meist sind es ja die Kerle, die sich gegenseitig so lange und lautstark provozieren, bis einer dann dem anderen eine Backpfeife verpasst. Und zack geht die Keilerei so richtig los. Was ein Getöse. Oft zieht sie sich dann zurück und sucht sich ein ruhigeres Plätzchen, sollen die Jungs sich nur gegenseitig blutig beißen, das ist nicht ihr Problem und imponieren kann mann ihr damit sowieso nicht.
Momo schaut seine Freundin an „Bist Du noch da? Hörst Du mir eigentlich zu?“ Lana räuspert sich „Hm, ja, natürlich, wem denn sonst. Ich hab nur grade an Baghira gedacht, der könnte auch mal gelassener werden“. Momo interessiert sich gerade gar nicht für Baghira, den wilden schwarzen Straßenkater mit dem Riss im Ohr. Er möchte gern weiter erzählen und damit in seinen Erinnerungen schwelgen. Und er möchte, dass Lana ihm zuhört, dass macht man unter FreundInnen so. Nun scheint sie ihm auch wieder ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken und schaut ihn erwartungsvoll an.
„Ja, also. Eigentlich fing es ja damit an, dass Frauchen und ich zum Zug gefahren sind. Ich dachte ja, das wird wieder eine ganz normale Fahrradtour, wie sonst auch. Nur hat Frauchen dieses Mal so viele Sachen ans Fahrrad gebunden. Hinter ihr waren links und rechts vom Rad je eine Tasche und dazwischen – sozusagen auf dem Rad – war auch irgendwas. Und dann hatte sie auch noch so ein anderes Ding auf Rädern an das Fahrrad drangehängt. Das hat mich etwas erschreckt, weil das nicht genau so fuhr wie das Fahrrad, das bewegte sich manchmal anders. Und manchmal rumpelte und klapperte es. Zum Glück hab ich das Ding vorher schon mal etwas kennen gelernt. Frauchen hat mich sogar mal reingesetzt, das ist wie ein riesiges Körbchen.“
Lana kichert – Momo ist so klein, für den ist fast alles riesig, er ist gerade einmal ein klein wenig größer als sie selbst. Nur, dass sie von sich überzeugt ist eine ganz Große zu sein. Sie nimmt es im Notfall auch mit dem größten Hund auf. Aber die Hunde haben vor ihr sowieso so einen großen Respekt, dass das nie notwendig ist. Außerdem weiß sie ja auch, dass eine friedliche Lösung von einem Streit immer besser ist als eine kämpferische. Aber vielleicht ist es ganz gut, so ein Selbstbewusstsein auszustrahlen. Denn selbst fremde Hunde verhalten sich ihr gegenüber freundlich oder zurückhaltend.
Momo und das riesige schwarze wackelige Körbchen
Der Tag, an dem Momo in den Fahrradanhänger gesetzt wurde, war ein sonniger Frühlingstag und er durfte wieder mit dem Fahrrad um die Wette laufen. Nur irgendwie war das Rad an diesem Tag nicht so schnell. Das muss wohl an diesem komischen Anhänger gelegen haben. Zuerst fuhren bzw. liefen sie wie immer eine der gewohnten Strecken entlang. Nach ein paar Kilometern aber nahm das Frauchen Momo in den Arm und zeigt auf den Anhänger. Dort drin lagen gemütlich aussehende Kissen. Aber wer will sich schon hinlegen, wenn hund rennen kann? Momo verstand nicht, was das Ganze sollte. Sein Frauchen aber warf ein paar Leckerchen auf die Kissen und setzte ihn vorsichtig in das Ding. Uh, das wackelte etwas. Momo war das nicht geheuer und er sprang trotz der verlockend duftenden Leckereien schnell wieder hinaus. Sein Frauchen nahm ihn ein zweites Mal auf den Arm und redete mit ihm. Dumm nur, dass weder er sie noch sie ihn verstand. Das ist schon schwierig mit diesen Fremdsprachen, Kätzisch war da leichter zu verstehen als die Menschensprache. Nur einige Laute waren eindeutig, so etwas wie „Essen“, „Gassi“ oder „Stopp“, das verstand er. Und die Menschen schienen zu verstehen, wenn er Hunger hatte oder dringend mal auf´s Gras musste. Aber sonst…
„Nun ja, so war das mit dem Kennen lernen des großen Dings. Aber zum Glück hat mich Frauchen nicht wieder dort reingesetzt. Da lag ja auch ganz viel Anderes drin. Zum Beispiel mein Futternapf. Jedenfalls fuhren beziehungsweise liefen wir damit in die Stadt. Und dort dann zum Zug. Den kannte ich noch nicht. Das ist wie ein Bus nur viiiiiiel größer, vor allem länger. Das wackelt da auch nicht so furchtbar wie im Bus. Zum Glück, denn das macht mir etwas Angst.“
Vor Lana kann Momo ruhig zugeben, dass er vor manchen Dingen Angst hatte. Sie ist ja seine beste Freundin und sie mag diese lärmenden Ungetüme mit denen sich die meisten Menschen fortbewegen auch nicht. Und so erzählt er weiter von dem großen Abenteuer, das sein Frauchen „Urlaub“ genannt hat. Er erzählt, wie sie mit dem Zug gefahren sind und sein Frauchen manchmal Probleme hatte, das Fahrrad mit dem großen Körbchen hinten dran in den nächsten Zug zu bekommen. Sie mussten nämlich mehrmals von einem in den anderen Zug steigen anstatt einfach mit dem einen Zug weiterzufahren – da verstehe einer die Menschen. Und nach vielen Stunden – ihm kam es vor wie ein paar Tage – stiegen sie aus und endlich nicht mehr in einen anderen Zug wieder ein. Nun konnte es wohl endlich losgehen.
Lana streckt sich und räkelt sich „Ich glaube es ist Essenszeit, meinst Du nicht auch?“. Tatsächlich, über das erzählen hat Momo die Zeit und sogar seinen knurrenden Magen vergessen. Nun muss er schnell nach Hause und schauen, ob sein Futternapf schon gefüllt ist oder ob er sein Frauchen wieder daran erinnern muss.
„Ja, Du hast Recht, schade, nun konnte ich Dir gar nicht von den Abenteuern erzählen. Dann vielleicht morgen, wir sehen uns ja auf jeden Fall bald wieder. Guten Appetit“ verabschiedet er sich von seiner Freundin und hofft, dass er ihr schon morgen weiter von seinen Erlebnissen berichten kann. Aber bei Lana weiß hund nie so genau. Denn sie ist manchmal tagelang nicht zu sehen. Außerdem ist sie das nächste Mal mit erzählen dran. Oh wei. Wie soll er das bloß aushalten, so lange seine Erzählungen für sich zu behalten? Oder soll er doch mal mit seinem Mitbewohner reden, vielleicht interessiert den ja auch, was er so erlebt hat?
Fortsetzung folgt, vllt.
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